Auf ins gelobte Land der HipHoper!
"WestEndOpera": Mitreißend junger Altstadt Herbst
 

Von ULRIKE MERTEN

Herde, Horde, pillenbunter Haufen: das ist die Hiphoper-Familie vom WestEnd. "Schwein sein oder Totenschein", darauf beschränkt sich aus ihrer Sicht die Wahl der Welt da draußen. Drinnen im Abrisshaus ist Coolsein angesagt. Lebensgefühl oder leeres Etikett? Die Antwort der "WestEndOpeera2 im Festivalzelt auf dem Burgplatz sollten insbesondere Jugendliche nicht verpassen. Pur, mitreißend, professionell, echt und ganz nahm am Breakdance-Herzschlag, ist diese Münchner Produktion. Endlose Beats entfernt vom Ghetto-Komödienstadl.

Da hätte die im Capitol gescheiterte Musical-Variante "Rent" getrost Nachhilfe in puncto Authentizität nehmen können. Hier hat der Altstadt Herbst das Prädikat jung wirklich verdient, hier gehtís um Sein oder Nichtsein im Rap-Rhythmus. Ein paar Mauerreste, ein Gerüst genügen als Kulisse. Aus dem Lautsprecher dröhnt dumpfes U-Bahnrollen, auf einer großen Leinwand kommt die Kamera entlang dicht besprühter Grafitti-Wände in Fahrt. Sprayer-Bekenntnisse über den illegalen Kick... und unmittelbar sind die Zuschauer drin, in der rasant inszenierten Opera. Die Truppe aus rund 20 jungen Leuten hat die Story selbst geschrieben. Diese 1-zu1-Wirkung des gefühlten und gelebten, nicht gespielten Lebens macht die Qualität, auch die Selbstironie der Aufführung aus.
Kein Verlust, dass die Musik aus der Konserve kommt Der so spielerisch leicht choreographierte Tanz ­ eine  Mischung aus Modern Dance und akrobatischem Körper-Kreiseln der Breaker ­ bringt Handlung, Zuschauer-Herzen und ­Füße im Takt in Bewegung.
      Ein bisschen erinnerte Vivienes baladesker Abschied von Freundin Yola ­ der Drogentoten- an Juliane Werdings Conny Kramer. Bei einer spacigen Modenschau hat sie gewonnen ­ bekommt ein Stück Erinnerung zurück, aus dem Jahr ´99. Damals, vor dem Ende der West-End-Legende, als alle daran glaubten, ans gelobte HipHop-Land. Flott und locker skizziert die modere Oper einzelne Charaktere: den abgefackten Dealer Wollo, die zwischen Bosporus und WestEnd zerrissene Türkin, die einsame Sarah, die Lebenshungrige, die coolen Scratcher, Skater, Abhänger und Fighter um Anerkennung, Liebe, den eigenen Platz im ganz normalen Wahnsinn.
Verrapter Tango, ein paar Takte Blues, fette Beats, selbst Bachs Tokkata schmettert kurz ­ dann rapt die Gemeinde X-Mas entgegen. Die Weihnachtsgeschichte vom "rappelvollen" Betlehem und vom Kind in der Krippe ­ "haste mal ´ne Kippe" ­ kippt die geballte Ladung Humor über die Bühne. Ein satirisches Zwischenspiel gibt die TV-Tante auf die Suche nach kaputter Dramatik, die Träume kommen als Viedeoclips originell und groß raus ­ bis der Letzt, als finale Schattenspielfigur, ganz explosiv das Licht ausmacht...
(Heute, 19.30 Uhr, Samstag, 15 und 19.39 Uhr)